Michael Reichmayr |
Zur Geschichte des Begriffs windisch |
Der Begriff windisch/'wendisch ist schon vom frühen
Mittelalter an bis zum 19. Jahrhundert die neutrale deutsche Bezeichnung
für slawisch. Dies ist für das Slowenische bzw. für slowenisch
Sprechende sowie für Sorbisch und Polabisch
belegt, zwei nördliche Slawinen, von denen letztere bereits ausgestorben ist. Bereits in seinen 1750 herausgegebenen Untersuchungen
vom Meere ... definiert Popowitsch Wenden/Winden
als im deutsch-slawischen Mischgebiet lebende Slawen. ( Popowitsch (1750). In dieser Schrift schlägt Popowitsch u. a. für die Schreibung der slawischen Sibyllanten die Einführung von zwei Graphemen vor, die an
das lateinische Alphabet angepasst sind.) Auf den Süden des heutigen Österreichs
bezogen heißt das: »Die Bezeichnung windisch ist historisch und steht
in älterer Zeit im allgemeinen Sprachgebrauch wie auch in den Toponymen des Typs Windisch Garsten, Windisch Mat[t]rei, Windisch Grätz, Windische Bühel usw. synonym für slowenisch.«(Gutsmann6) Der heute noch gebräuchliche Begriff windisch wird jedoch
in noch zwei weiteren Bedeutungen verwendet. Obwohl oft in Abrede gestellt,
gibt es den Begriff Windische/ Windischer auch als Eigenbezeichnung
von Personen mit slowenischer Muttersprache. Er wird heute von Menschen
in Teilen des gemischtsprachigen Gebietes in Kärnten im nicht pejorativen
Sinn verwendet, die von sich selbst sagen, sie seien Windische
bzw. sie sprechen windisch. (Dafür wurden im Jahr 2001 im Rahmen
einer sprachsoziologischen Studie, an welcher der Verfasser teilnahm,
im Gebiet um Feistritz im Gailtal/Bistrica
na Zilji reichlich Belege gesammelt. Es ist
naheliegend, dass sich die Situation in den übrigen gemischtsprachigen
Gebieten Kärntens und der Steiermark nicht wesentlich von der hier vorgefundenen
unterscheidet.) Synonym zu dieser ethnischen bzw. Sprachbezeichnung ist
po domaće. Die heutige (Eigen-) Definition
für eine/einen Windische/n ist: jemand, der mit der slawischen
Muttersprache aufgewachsen ist, ohne – aus welchen Gründen auch immer
– die slowenische Standardsprache gelernt zu haben. (Eine Ausnahme stellt
teilweise die Verwendung der slowenischen Standardsprache im Bereich des
kirchlichen Lebens dar.) Dieses Windisch wird z. T. noch heute von dessen Sprechern
und von außen häufig als nicht voll entwickelte, eigenständige Sprache
bzw. als Mischsprache empfunden bzw. bezeichnet, der deshalb weniger Wert
oder Nutzen beigemessen wird. Die vielen aus dem Deutschen entlehnten
oder übernommenen Wörter werden häufig als Argument für die Bezeichnung
Mischsprache ins Treffen geführt, was allerdings sprachwissenschaftlich
nicht haltbar ist: dass Windisch eine dialektale Variante des Slowenischen
ist, ist heute unbestritten. Ihre Sprache ist bei Windisch-Sprechenden
selbst gefühlsmäßig oft positiv besetzt, sie wird als etwas sehr Individuelles,
ja geradezu Intimes empfunden, das man innerhalb der Familie spricht,
in Bereichen außerhalb der engeren Sprachgemeinschaft aber nicht gerne
preisgibt. Die – sprachgenetisch naheliegende
– slowenische Standardsprache wird von dieser Sprechergruppe als zu weit
entfernt, zu abgehoben und manchmal auch als nationalideologisch markiert
empfunden und stößt daher häufig auf Ablehnung. Windisch deckt sprachlich-funktional
die Bedürfnisse der Sprecher voll ab. Deutsch ist die vorherrschende Unterrichtssprache
und das Verständigungsmittel im Alltag außerhalb des engeren familiären
Rahmens oder örtlichen Umfelds. Daher wird das Erlernen des überdialektalen
Standardslowenisch von den Betroffenen häufig als unnotwendige Belastung
eingestuft. Dem gemäß verstand der Aufklärer und Philologe Gutsmann, geboren 1725 in Grafenstein, einem Ort zwischen
Klagenfurt und Tainach, windisch »nicht als
Strukturmerkmal, das eine Trennung vom Krainerischen
rechtfertigen würde, sondern als Merkmal im Zusammenhang mit der Aufnahme
zahlreichen deutschen Lehnguts durch die slowenischen Mundarten in Kärnten.« (Gutsmann 7) Gutsmann sieht in der Übernahme
von Lehnwörtern auch kein Übel: »Warum soll es den Windischen nicht erlaubt seyn fremde Wörter einzunehmen- /.../ Auch die deutsche Sprache
konnte zu ihrer jetzigen reinlichen und einstweiligen Gleichförmigkeit
nicht eher gelangen, bis nicht die Länder mit Sprachlehren überschwemmt,
und aus diesen die meisten und besten Sätze von allen angenommen wurden.«
(zit. n. Gutsmann 7,8) Die Bemühungen Gutsmanns, die Grundlagen
für eine überdialektale Kultursprache der Kärntner Varietät des Slowenischen
zu schaffen, waren jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Auch der aus einem sprachlichen Interferenzgebiet stammende
Josef Matl beschrieb die Existenz des Begriffs
windisch als neutrale, nicht abwertende Eigenbezeichnung von slowenisch
sprechenden Menschen: »Im breiten Grenzraum der Untersteiermark (siehe
Windische Bücheln’) und in Kärnten bezeichnen
sich die Slovenen selbst seit Jahrhunderten
als Windische, ohne damit ein politisches Bekenntnis zu verbinden.« (Josef Matl, Stellungnahme an das Österreichische Statistische Zentralamt,
9.3.1959. In: Wissenschaftlicher Nachlass, Institut für Slawistik der
Universität Graz, Karton C 76, S.1f. Eine dritte, heute noch gebräuchliche, jedoch von den beiden
oben genannten zu trennende Bedeutung erhielt der Begriff windisch
von politischen Ideologen des frühen 20. Jahrhunderts. Sie bauten
zwar auf dem traditionellen regionalen Sprachbewusstsein auf, versuchten
jedoch, die inzwischen etablierte slowenische Standardsprache als dem
Windischen organisch fremd hinzustellen bzw. einen sprachlichen, ethnischen,
historischen und kulturellen Widerspruch zwischen Slowenisch und Windisch
zu konstruieren, was in dieser Form jeder Grundlage entbehrt. Ziel dieser
Bestrebungen war, die Slowenen in Kärnten den Deutschen in allen Bereichen
bedingungslos zu unterwerfen bzw. – so sie sich dem Slowenischen bewusst
und selbstbewusst als überdialektaler Kultursprache bedienen wollten –
überhaupt zu verdrängen. Diese Geisteshaltung, paradoxerweise aber auch
die offenkundige Zweisprachigkeit des Verfassers kommt im Gedicht Mir
Windischn im Karntnarland von Hugo Moro
deutlich
zum Ausdruck, von dem hier zwei Strophen (von acht) wiedergegeben werden: »Mir seimer Karntnar Windische / Und nit
– wia dös – Slowenar! / Gebts uns an Fried, laßts und in
Ruah / Und gehts lei ham zua
dennar. /.../ Dö Deutschn
und mir Windischn, / Mir haltn
zsamm wia Eisn / Und lassn unser Karntnarland / »Per moj
duš!« nit zerreißn!«(Moro,1936,168) In einer Stellungnahme an das Statistische Zentralamt führt
Josef Matl zu diesem Thema aus: »Im Laufe der wachsenden Nationalitätenspannung
des 19- Jahrhunderts in Steiermark, Kärnten und Krain
(Kampf um die Einführung der Volks- bzw. Muttersprache in den Schulen
und Ämtern usw.) wurde die Bezeichnung Windisch' aus politischen Zweckmäßigkeitsgründen
verpolitisiert: a) indem die Bezeichnung Windisch im Munde der
Deutschen pejorativ den Beigeschmack des Abfälligen, des sozial tiefer
stehenden, Minderwertigen bekam; indem b) eine politisch ethnische Unterscheidung zwischen
Windischen und Slovenen konstruiert wurde. Dies
war auch die offizielle These der Nazi-Politik in diesen Gebieten.«"
(Josef Matl, Stellungnahme an das Österreichische Statistische Zentralamt,
9.3.1959. In: Wissenschaftlicher Nachlass, Institut für Slawistik der
Universität Graz, Karton C 76,S.1f. 2.1.2. »Der Matl will Graz slawisieren« Josef Matl war mit dieser von ihm
kritisierten Geisteshaltung auf zwei Ebenen konfrontiert. Einerseits als
selbst in zweisprachiger Umgebung Aufgewachsener und andererseits als
Wissenschaftler, der sich der historischen Dimensionen und mehrfachen
Bedeutungsbelegung dieser Begriffe bewusst war. Vergleichen aus der Welt
des Militärs nicht abgeneigt, beschrieb er seine Position in politischen,
wissenschaftlichen und kulturell-ethnischen Auseinandersetzungen und Konflikten
folgendermaßen: »Ich stand, obwohl ich aus einer bäuerlichen Grenzerfamilie
stamme, in der es nie einen deutsch-slavischen
Gegensatz gegeben hat, doch von meiner Gymnasialzeit, als ich begann mich
mit dem Slovenischen zu beschäftigen, später,
als ich im Ersten Weltkrieg und dann im Lande selbst Serbokroatisch lernte
und mich den slavistischen Studien widmete, ferner seit [ich] 1919 das Serbokroatische
an der Bundeshandelsakademie einführte und unterrichtete, in einer Zweifrontenstellung,
die eigentlich mein ganzes Leben bis in die Gegenwart weiter dauerte;
das heißt, ich wurde einerseits von unseren heimischen chauvinistischen
Deutschnationalen als angeblicher 'Slavophile1 und Panslavist' angegriffen und suspekt gemacht ('der Matl will Graz slavisieren [']/
Widerstand dieser Kreise gegen meine Habilitierung für slavische
Philologie usw.); andererseits von slavischer
Seite (seit J. Glonar in der Prager Presse als
pangermanischer 'Kulturträger' und ähnliches). Ja es ist mir bei einer
Arbeit schon Ende der 20er Jahre passiert, daß
mir von kroatischer Seite vorgeworfen wurde, ich sei serbophil,
von serbischer, ich sei kroatophil, von deutscher
Seite ich se ein Panslavist, von slavischer Seite
ich sei germanophil.« (Josef Matl
in einem persönlichen Dankschreiben für eine .wohlgesinnte Rezension"
an den Slawisten Frank Wollman, Graz, 19. 12.
1966. In: Wissenschaftlicher Nachlass, Institut für Slawistik der Universität
Graz, Korrespondenz Teil 3, T-Z, Buchst. W [Hervorhebg.
Matl]) So stand Matl nach 1947 also nicht
nur in der Schusslinie gewisser kritischer Stimmen aus Jugoslawien und
den Ländern des Ostblocks, die seinen Kriegsdienst im Agramer
Infanterieregiment 53 im Ersten bzw. bei der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg
als Beleg für seine monarchistischen bzw. reaktionären Anschauungen ins
Treffen führten, sondern er war auch Angriffen von rechts ausgesetzt.
Dies zeigt z. B. die Auseinandersetzung zwischen Matl
und dem Kärntner Schulverein Südmark gegen Ende der 50er Jahre.
Vertreter des letzteren warfen Matl unter anderem
vor, bei seinem Vortrag über die Slowenen in Österreich (Herrenchiemsee,
29./30. April 1957) nicht zwischen »Slowenen« und »Windischen« unterschieden
sowie es unterlassen zu haben, dagegen aufzutreten, dass in Österreich
»die Volksmehrheit einem Zwangsregieme [!]
unterworfen und slowenisiert werden soll.«( Aus einem Antwortschreiben
von Dr. V. Miltschinsky, Wien, an Josef Matl,
Wien, 11. Juli 1957. In: Wissenschaftlicher Nachlass, Institut für Slawistik
der Universität Graz, Sonderband Arbeiten 1957-1959 (nicht veröffentlicht),
Nr.18. Die sogenannten »Bekennerbriefe« des
steirischen Bombenattentäters Franz Fuchs in der ersten Hälfte der 1990er
Jahre erinnern an einigen Stellen frappant an die Diktion des Schreibens
von Miltschinsky.203 In seiner Entgegnung schreibt Matl: »Wenn ich als wissenschaftlicher Fachmann mit der
Verantwortung eines Professors für slawische Philologie an der Universität
Ihre aus Aspekten des politischen Tageskampfes entstammende Zensur annehmen
würde, müsste ich konsequenterweise das nächstemal,
wenn ich z. B. über die kroatisch-serbische Frage und über Bosnien spreche
(wie ich es vor eineinhalb Jahren in Salzburg zum gros.sen
Aerger der
Ustaschen-Kroaten getan habe), die verschiedenen
kroatischen und serbischen politischen Gruppen gehorsamst
fragen, was ich über die nationale Zugehörigkeit, z. B. Bosnien, sagen
darf oder wenn ich über die mazedonische Frage spreche, die Mazedonier,
die Gross-Serben und die Gross-Bulgaren
befragen-, oder über die ukrainische Frage die nationalistischen Ukrainer
und die Gross-Russen usw. usw. Finden Sie nicht,
dass es eine Anmassung sondergleichen ist und
eine Degradierung des wissenschaftlichen Menschen und Forschers unter
die Aspekte der Tagespolitik, wenn Nicht-Fachleute einem Fachmann Lektionen
erteilen wollen. Was würden Sie dazu sagen, wenn ich als Nicht-Ingenieur
ohne Kenntnis der Statikgesetze einem Ingenieur eine Zensur erteilen würde,
wie er die Tragpfeiler einer Brücke zu berechnen habe, oder einem Juristen,
wie er einen Verwaltungs- oder Gerichtsakt zu bewerten oder zu behandeln
habet Nun ist es ja so, wenn es um die Probleme der Sprache, des Volkstums,
der Nationalität geht, dann nimmt sich jeder heraus ohne gründliche Sach-
und Fachkenntnisse es besser wissen zu wollen. Ich habe also von dem, was ich in Herrenchiemsee vorgetragen und gesagt habe, gar nichts, aber
schon gar nichts zu korrigieren.« (Schreiben von Josef Matl an den Kärntner Schulverein Südmark, Graz, den 3. Juni
1957. In: Wissenschaftlicher Nachlass, Institut für Slawistik der Universität
Graz, Sonderband Arbeiten 1957-1959 [nicht veröffentlicht], Nr.18.) IIn seinem Vortrag hatte Matl das
Verhältnis Windisch – Slowenisch wissenschaftlich beleuchtet.
1959 wurde er auch vom Österreichischen Statistischen Zentralamt um eine
diesbezügliche Stellungnahme ersucht, in welcher er unter anderem schreibt: »i.) /.../ Die Bezeichnungen Windisch-Slovenisch'
sind also] nur verschiedene Bezeichnungen für ein und dasselbe sprachliche
Objekt, denn wenn man bei Windisch mehr an die mundartliche Umgangs- und
Haussprache denkt, bei Slovenisch mehr an die
Hochsprache, also an die Schrift- und Literatursprache, so handelt es
sich nur um verschiedene Sprachschichten eines und desselben Sprachkörpers. 2.) Die Bezeichnung Windisch': Seit altersher bezeichnet man mit Windisch die den Deutschen benachbarte
slavische Bevölkerung und ihre Lebensgebiete.
/.../ 3.) Im breiten Grenzraum der Untersteiermark (siehe
Windische Bücheln') und in Kärnten bezeichnen
sich die Slovenen selbst seit Jahrhunderten
als Windische, ohne damit ein politisches Bekenntnis zu verbinden. 4.) Im Laufe der wachsenden Nationalitätenspannung
des 19-Jahrhunderts in Steiermark, Kärnten und Krain (Kampf um die Einführung der Volks- bzw. Muttersprache
in den Schulen und Ämtern usw.) wurde die Bezeichnung Windisch' aus politischen
Zweckmäßigkeitsgründen verpolitisiert: a) indem
die Bezeichnung Windisch' im Munde der Deutschen pejorativ den Beigeschmack
des Abfälligen, des sozial tiefer stehenden, Minderwertigen bekam; indem b) eine
politisch ethnische Unterscheidung zwischen Windischen und Slovenen
konstruiert wurde. Dies war auch die offizielle These der Nazi-Politik
in diesen Gebieten. Dies ist auch heute der Standpunkt, z. B. des Kärntner
Schulvereins 'Südmark'«. (Josef Matl, Stellungnahme an das Österreichische Statistische
Zentralamt, 9.3.1959. In: Wissenschaftlicher Nachlass, Institut für Slawistik
der Universität Graz, Karton C 76, S.1f.) Und weiter: » Im breiteren Rahmen der Volkstumsproblematik
gesehen, gibt es in Ostmitteleuropa (besonders Steiermark, Kärnten, Ungarn,
nördliches und westliches Jugoslavien) große
Gebiete, in denen die Volkstümer und ihre Grenzen nicht so klar profiliert
sind; Gebiete, in denen wir durch Jahrhunderte die Erscheinungen des fließenden
Volkstums, des Volkstumswechsels nicht nur als Einzelerscheinungen (durch
Heirat oder sozialen oder beruflichen Aufstieg), sondern als Vorgänge
antreffen, die die ethnische Zugehörigkeit ganzer Landschaften
und ganzer Bevölkerungsschichten als fließende Prozesse bis in die Gegenwart
hinein variabel gestalten. /.../ Alle diese Prozesse können eben nur soziologisch-biologisch
als Integrations- oder Differenzierungsprozesse klar erkannt werden, nicht
aber, wie es in der ganzen nationalistischen Presse und Publizistik der
deutschen, ungarischen und slavischen, auch
bei einem Teile unserer österreichischen üblich ist, nach nationalistischen
Macht-und Prestigevorstellungen.« .(Josef Matl, Stellungnahme an das
Österreichische Statistische Zentralamt, 9.3.1959. In: Wissenschaftlicher
Nachlass, Institut für Slawistik der Universität Graz, Karton C 76, S.3.) In diesem Schreiben polemisiert Matl
auch gegen eine staatlicherseits vorgegebene Politik des divide
et impera gegenüber der slowenischsprachigen
Bevölkerung, die bereits in der Fragestellung der Volkszählung 1951 nach
der Umgangssprache deutlich wird: Deutsch-Slowenisch; Deutsch-Windisch;
Slowenisch-Deutsch; Windisch-Deutsch usw. Alle diese Fälle, so Matl,
»konstatieren nur Zweisprachigkeit, nicht aber die volkstumsmäßige
Zugehörigkett.« (Josef Matl,
Stellungnahme an das Österreichische Statistische Zentralamt, 9.3.1959.
In: Wissenschaftlicher Nachlass, Institut für Slawistik der Universität
Graz, Karton C 76, S.4.) Und gegen Ende des Schreibens stellt Matl
dem Österreichischen Statistischen Zentralamt die rhetorische Frage: »Was soll das heißen: Slovenisch,
Windisch (6), Windisch, Slovenisch (9). Seit
wann fragt man bei einem Wiener bei der Volkszählung, ob er Wienerisch
oder Hochdeutsch kann oder spricht. /.../ Das Statistische Zentralamt steht vor der Wahl,
entweder den im kärntnerischen und steirischen tagespolitischen Kampf
mit reichlichem propagatorischen und pathetischen
Aufwand konstruierten Dualismus von zwei angeblich verschiedenen ethnisch
politischen Gruppen, den Windischen (also den Eindeutschungsreifen und
-bereiten) und den Slovenen (also den ihrer ethnisch-kulturellen Zusammengehörigkeit
voll Bewußten und nicht Eindeutschungsbereiten)
zu legitimieren, oder sich nach der guten alten österreichischen statistischen
Tradition eines Czoernig usw. um der Sachlichkeit
Willen darüber zu erheben – und damit auch das Risiko übernehmen, das
Mißfallen der chauvinistischen Tagespolitiker zu erregen.« (Josef Matl, Stellungnahme an das
Österreichische Statistische Zentralamt, 9.3.1959. In: Wissenschaftlicher
Nachlass, Institut für Slawistik der Universität Graz, Karton C 76, S.4f.) 2.1.3. Slowenisch in Österreich Trotz der Festlegungen im Artikel 7 des Österreichischen Staatsvertrags
(15. 5. 1955) zu den Rechten der slowenischen und kroatischen Minderheiten
und trotz Matls klarer wissenschaftlicher Stellungnahme
(bereits 1959) haben sich die sprachpolitischen Voraussetzungen der Slowenen
in Österreich seither nicht konsolidiert oder verbessert. 1976 nutzten
deutschnational orientierte Kräfte in Kärnten die Vorbereitungen zur Minderheitenfeststellung
besonderer Art abermals zu einem propagandistischen Feldzug gegen
»bekennende«" Slowenen und deren im Staatsvertrag verbrieften
Minderheitenrechte. Als Antwort darauf wurde die Zählung von den Kärntner
Slowenen erfolgreich boykottiert, die Ergebnisse waren nicht brauchbar.
Knapp 14.000 Kärntner gaben bei der Volkszählung 1991 Slowenisch als ihre
Umgangssprache an, im Jahr 2001 waren es noch 12.586. Anders jedoch die
Entwicklung in der Steiermark. Hier gab es bei der Erhebung 2001 gegenüber
1991 eine Steigerung von über 29%, in Zahlen: von 1.695 auf 2.192 Personen.
In den Grenzbezirken Deutschlandsberg, Leibnitz und Bad Radkersburg
stieg die Zahl der in der Steiermark lebenden österreichischen Staatsbürger,
die Slowenisch als Umgangssprache angaben um 83% (1999: 246; 2001: 452
Personen). (Zahlen aus: Signal 2002/2003 [(Graz] 2. Es wurde bereits darauf
hingewiesen, dass die statistischen Angaben zum Sprachgebrauch nur bedingt
aussagekräftig sind.)
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Aus: Michael Reichmayr, Ardigata! Krucina, 2003 |